Jakob in Finnland

Moro…

Name: Jakob
Ausbildung: Zimmerer
Auslandspraktikum in: Turku, Finnland

Mit diesem Wort begrüßt man hier in der finnischen Stadt Turku morgens seine Arbeitskollegen. Meine Arbeitskollegen, das sind Juuso, Kalle und Jari, allesamt finnische Handwerker aus Leidenschaft. Denn während meiner Zeit in Finnland, die ich vorweg genommen sehr genossen habe, habe ich bei Rakennus J. Hämäläinen Oy – anders gesagt in meinem Gastbetrieb – Holzhäuser gebaut. Und das ganz klassisch in Holz-Ständerbauweise wie man es aus Erinnerungen an Skandinavien eben kennt.
Wenn ich morgens um sechs in der Frühe bei Tageshelle auf mein Fahrrad stieg und vom Stadtzentrum immer weiter außerhalb fuhr, fühlte es sich fast ein bisschen an wie Urlaub. Auf den breiten und ohnehin schon leeren Straßen sucht man hier vergebens nach Verkehrssündern. Die Finnen sind eben sehr zeitlos, das macht sich auch im Straßenverkehr bemerkbar. Um 7:00 morgens startete dann mein regulärer Arbeitstag auf der Baustelle, meistens erstmal mit einem Becher Kaffee. Dieser kam für gewöhnlich aus einer der lokalen Tankstellen. Dort stehen für Handwerker wie uns schon zwei Kannen Filterkaffee bereit. Wer Siebträgermaschinen gewohnt ist, der sollte wahlweise nach Feierabend ein örtliches Café aufsuchen oder gar seine eigene Maschine im Auto bereithalten.
Während ich es aus Deutschland gewohnt bin, dass der Arbeitgeber Werkzeug und Maschinen stellt, arbeiten die Finnen alle mit eigenem, privatem Werkzeug. Als Kompensation bekommen sie dafür einen Gehaltsbonus. Und was soll ich sagen, meine Kollegen verfügten über eine gigantische Werkzeugkollektion. Ständig dabei, immer mobil, dauerhaft betriebsbereit, alles untergebracht und sicher verstaut im eigenen Transporter.
Man suche sich einen Arbeitgeber, investiere ein halbes Vermögen in Hand-, stationäre- und halbstationäre Maschinen der Marke seiner Wahl und bleibe dieser bis an sein Lebensende treu. Trifft ein finnischer Zimmermann auf einen Gleichgesinnten, so kommen zwei mögliche Szenarien infrage: erstens, sein Gegenüber hat auf denselben Hersteller wie er selbst gesetzt. Beide begrüßen sich freundlich, klönen kurz im Fachjargon über die neue 40V-Brushless-Reihe ihrer so heiß geliebten Lieblingsmarke und fahren gut gelaunt mit der Arbeit fort.
Szenario Nummer zwei: aus den Augenwinkeln erkennen beide Zimmermänner das fremde Werkzeug des jeweils anderen. Beide versuchen sich nichts anmerken zu lassen und fahren mürrisch mit der Arbeit fort. Sie werden wohl nie ein Wort miteinander wechseln.
Meine Arbeit bestand zu einem Großteil aus Montagearbeiten. Von Türen setzen, Fenster einbauen, Decken abhängen, Böden verlegen bis Küchen einbauen war wirklich alles dabei. Zu meiner Überraschung durfte ich auch zwei Saunen bauen. Das war wirklich ein super Mix! Gerade weil ich in meinem Betrieb in Deutschland überwiegend in der Werkstatt im Möbel- und Objektbau tätig bin, waren diese vier Wochen eine willkommene Abwechslung aus der ich eine Vielzahl an neuem Knowhow mitnehmen konnte. Außerdem weiß ich das Vertrauen in mich das mein Gastbetrieb an den Tag legte sehr zu schätzen. Kam eine neue Aufgabe auf mich zu, bekam ich eine kurze Introduktion und konnte sofort in meinem eigenen Tempo mit der Arbeit beginnen.
Unterschiedlich zu deutschen Standards sind auch die Arbeitszeiten, denn in Finnland wird pro Tag eine Stunde weniger als in Deutschland gearbeitet.
Doch das schönste in Finnland waren definitiv die Wochenenden. Beginnend am Freitagnachmittag füllt sich die Innenstadt Turkus mit Studierenden und jungen Praktikanten wie mir. Mitten im Covid-19-Sommer die finnischen Kneipen, Clubs und Bars ohne Maskenpflicht oder ähnliche Regulationen besuchen zu dürfen, war für mich ein Traum der wahr wurde. Kein Traum, sondern der blanke Wahnsinn sind hingegen, man kann es sich denken, sind die Alkoholpreise. Knappe neun Euro ist in Finnischen Kneipen die 0,3l-Flasche feinstes holländisches Pils wert.
Das tägliche Feierabendbier wie ich es hierzulande gewohnt bin, gibt es so dort nicht. Wenn getrunken wird, dann richtig. Von Genuss kann da keine Rede mehr sein. Etwas schockiert war ich an meinem ersten Freitag über die Vielzahl an jungen Menschen, die schon am späten Nachmittag von offensichtlich zu viel Alkohol regungslos auf Bänken oder gar direkt auf dem Kopfsteinpflaster lagen. Abgesehen von diesem kleinen Nebeneffekt hatte ich wirklich fantastische Abende in Turku Downtown.
Doch nicht nur in den Zentren, sondern auch in der Außerhalb der Städte weiß Finnland zu glänzen. Meine Empfehlung: Auto mieten, nachts losfahren, Zelt aufbauen, unter Sternenhimmel einschlafen und am nächsten Morgen den Sonnenaufgang über der Ostsee bei frischem Kaffee genießen. Das Land besticht durch seine wunderschöne Natur und zahlreichen Nationalparks. Wirklich ein schönes Erlebnis war die Wanderung durch den Kurjenpesä-Nationalpark. Etwa 30 km nördlich der Stadt trifft man auf finnische Flora und Fauna at ist best. Von Blaubeeren soweit das Auge reicht, bis hin zu rubinroten Seen über kleine Holzhütten zum nächtigen ist alles dabei.
Ob ich das Praktikum nochmal machen würde? Ja. Ob ich das Programm weiterempfehlen kann? Aber hallo!
Jedem der die Möglichkeit hat an einem solchen Austauschprogramm teilzunehmen, kann ich so ein Praktikum nur sehr ans Herz legen. Ich hatte wirklich eine super Zeit, habe viele Kontakte geknüpft, eine ganz neue Kultur kennen gelernt und einen reichen Schatz an Berufserfahrung gesammelt.